"Jede Generation sieht zweifellos ihre Aufgabe darin, die Welt neu zu erbauen. Meine Generation
jedoch weiss, dass sie sie nicht neu erbauen wird. Aber vielleicht fällt ihr eine noch grössere Aufgabe zu.
Sie besteht darin, den Zerfall der Welt zu verhindern. Als Erbin einer morschen Geschichte, in der
verkommene Revolutionen, tollgewordene Technik, tote Götter und ausgelaugte Ideologien sich vermengen,
in der Mächte ohne Grösse heute wohl alles zu zerstören, aber niemand mehr zu überzeugen vermögen,
in der die Intelligenz sich so weit erniedrigt, dem Hass und der Unterdrückung zu dienen, sah diese Generation
sich vor die Aufgabe gestellt, einzig von ihrer Ablehnung ausgehend, in sich und um sich ein weniges von dem,
was die Würde des Lebens und des Sterbens ausmacht, wiederherzustellen. Angesichts einer von Auflösung
bedrohten Welt, in der unsere Grossinquisitoren Gefahr laufen, auf immer das Reich des Todes aufzurichten,
ist sie sich bewusst, dass sie in einer Art gehetztem Wettlauf mit der Zeit einen nicht in Knechtschaft
gründenden Frieden unter den Völkern wiederherzustellen, Arbeit und Kultur wieder versöhnen und im Verein
mit allen Menschen einen neuen Bund schaffen sollte. Es ist nicht sicher, ob sie diese gewaltige Aufgabe
jemals wird erfüllen können; sicher ist jedoch, dass sie überall in der Welt bereits den zwiefachen Einsatz
von Wahrheit und Freiheit gewagt hat und gegebenenfalls ohne Hass dazu zu sterben weiss."

Albert Camus        aus der Rede zur Verleihung des Nobelpreises.       in.   Fragen der Zeit.   rororo   2023.  p.227